Der Shaolin Tempel in Henan/China hatte zum 15. August 2024 alle europäischen Shaolin-Schulen und -Zentren eingeladen, um den chinesischen Muttertempel zu besuchen. Ein ganz besonderer Anlass also für eine Reise nach China.
Am 4. August landen wir morgens in Peking. Noch am gleichen Tag besuchen wir den Himmelstempel und den Platz des himmlischen Friedens. Temperaturen bis knapp 40 Grad und eine hohe Luftfeuchtigkeit sowie Schlafmangel machen dem Körper zwar etwas zu schaffen, aber man gewöhnt sich daran.
Am 5. August besuchen wir den kaiserlichen Sommerpalast mit seiner vielfältigen Natur, erhabenen Bauwerken und vielen Touristen. Da auch in China Sommerferien sind, sind viele chinesische Familien auf Sightseeing-Tour. Und diese interessieren sich nicht nur für die besonderen Orte, sondern auch für uns Europäer. Immer wieder werden wir fotografiert.
Weiter geht es in die Pekinger Altstadt. Hier besuchen wir Kung Fu-Meister Liu in dessen Wohnung. Er ist ehemaliger Trainer der Schule, in der auch Jet Li gelernt hat. Sein Waffenarsenal ist noch beeindruckender als das Mittagessen, das er und seine Frau uns anbieten. Sein Hobby ist die Musik und so spielt er uns auf einem chinesischen Instrument vor.
Im Anschluss besuchen wir noch den Lama-Tempel und kämpfen uns durch die massiven Pekinger Staus. Den Autokennzeichen werden feste Wochentage zugewiesen, an denen sie jeweils fahren beziehungsweise nicht fahren dürfen.
Der 6. August startet mit einer langen Busfahrt. Ziel ist die Chinesische Mauer. Wir sind früh unterwegs, so dass die Mauer noch nicht überlaufen ist. Ich nutze den Moment, um auf der Mauer etwas Tai Chi und Qi Gong zu machen. Hier wie überall begleitet uns das ohrenbetäubende Zirpen der Zikaden, das wie Wellenrauschen zunimmt und abebbt. Dieses Geräusch ist Tag und Nacht allgegenwärtig, sogar in der Stadt. Die Mauer selbst zieht sich Tausende Kilometer durchs Land und beeindruckt mich sehr.
Nachmittags besuchen wir noch ein imposantes Theaterstück, bei dem mal so nebenbei die gesamte Bühne geflutet wird.
Am 7. August besichtigen wir den Kaiserpalast in der Verbotenen Stadt. Viel Architektur und wenig Bäume. Denn hinter jedem Baum hätte sich damals ein Attentäter verstecken können. Nach der Besichtigung steigen wir in den Schnellzug, der uns in rund sechs Stunden in die Wudang-Berge bringt, wo wir am Abend das Wudang Mountain Hotel erreichen. Überall hier sehen wir Tai Chi-Praktizierende - auf Parkplätzen, in der Hotel-Lobby, einfach überall.
Am 8. August starten wir bereits um 6 Uhr morgens mit dem Erlernen einer Wudang-Tai-Chi-Form. Dafür haben wir aber nur eine Stunde Zeit. Unser Trainer-Team ist sehr geduldig. Nach dem Frühstück schauen wir uns im Ort um, besuchen dann das Wudang Museum of China sowie eine Anlage, in der TCM-Kräuter gepflanzt und geerntet werden.
Am Nachmittag besuchen wir eine große Schule für Wudang Kung Fu und Tai Chi. Die Schüler haben extra eine Vorführung für uns vorbereitet, wir sind in Wudang mit zwei Martial-Arts-Schulen aus Spanien und Italien unterwegs.
Hoch hinaus geht es am 9. August. Mit einer Seilbahn fahren wir auf 1.612 Meter auf den Gipfel des Wudang-Shan. Hier gibt es eine beeindruckende Aussicht. Mich persönlich stört die übertriebene Tourismus-Kommerzialisierung und ich versuche mich etwas rauszuziehen, um mich auf das Eigentliche zu konzentrieren.
In der Mitte der Berge, fern von Dörfern und inmitten der Natur, besuchen wir einen geheimnisvollen Großmeister und seine Schule. Sein altes und doch klares Gesicht, umrahmt von weißem Bart und schwarzem Hut, strahlt etwas Unerschütterliches aus. Durch Tai Chi und ein Leben im Einklang mit der Natur kann man 300 Jahre gesund leben, so sagt er.
Am folgenden Tag, den 10. August, besichtigen wir zahlreiche beeindruckende Tempelanlagen in den Wudang-Bergen. Durch den Wechsel von hoher Außentemperatur und klimatisierten Räumen sowie den Schlafmangel habe ich inzwischen etwas Fieber. Deswegen mache ich ein bisschen langsamer. Die endlosen Treppenstufen fordern mich in diesem Zustand, aber Zurückbleiben ist keine Alternative.
Am Nachmittag besuchen wir die örtliche Wushu-Arena, wo uns eine beeindruckende Show geliefert wird.
Abends essen wir mit ranghohen Vertretern aus Wudang.
Am 11. August wache ich schweißüberströmt auf. Ich habe das Fieber ausgeschwitzt und fühle mich stark. Gut so, denn heute geht es mit dem Schnellzug nach Dengfeng, die Heimat der Shaolin. Hier wohnen wir im Zhongzhou Intermega Shaolin Hotel, das erst im April fertiggebaut wurde, und überall begegnen uns bekannte Shaolin-Vertreter aus Europa.
Am 12. August fahren wir am Morgen die rund 10 Kilometer zum Shaolin Tempel. Ich spüre sofort die Kraft, die diesem Ort innewohnt. Der oberste Abt Shi Yongxin empfängt uns persönlich. Er hat zwar nur wenige Minuten Zeit, aber ich bin dankbar, dass er sich diese Minuten genommen hat. Jeder von uns bekommt ein Shaolin-Armband.
Mittags essen wir mit den Mönchen. Das Essen wird schweigend eingenommen. Das genieße ich. Wir machen oft zu viele Worte um zu viele Dinge.
Am Nachmittag besuchen wir das alte Dorf Yang jia men in der Nähe. Viel Natur, Zikadenzirpen, Ruhe, Kalligraphie und eine Tee-Zeremonie stehen auf dem Programm. Hier könnte ich Tage bleiben. Ruhe und Frieden.
Am 13. August fahren wir wieder zum Shaolin-Tempel. Von dort steigen wir zur Darma-Höhle in den Songshan-Bergen. Hier soll Bodhidharma neun Jahre lang bis zu seiner Erleuchtung meditiert haben.
Am Nachmittag geht es dann mit der Seilbahn auf den 1.500 Meter hohen Songshan. Auf engen Wegen entlang des Abgrundes bewundern wir seine zerklüfteten Felsformationen und den weiten Ausblick. Der Weg ist beschwerlich, aber lohnenswert.
Am 14. August besuchen wir eine Shaolin-Schule. Ich bin beeindruckt von den Fähigkeiten der Schüler. Nach der Show zeigt mir einer von ihnen seine Version der Form Wu Bu Quan, die ich gemeinsam mit ihm einstudiere.
Nachmittags besuchen wir dann den größten Fernsehsender der Provinz Henan und sind bei der Aufzeichnung einer Fernseh-Show zu Kung Fu und Tai Chi dabei. Hier werde ich um ein Interview gebeten. Es ist mir eine Ehre.
Abends findet im Hotel dann ein Empfang anlässlich der morgigen Zeremonie im Shaolin-Tempel statt.
Am 15. August ist der große Tag. Im Shaolin-Tempel wird ein großer Stein in die Erde gelassen, auf dem die anerkannten europäischen Shaolin-Schulen aufgeführt werden. Die Presse ist da. Zahlreiche Fototermine finden statt. Es wehen die Fahnen vieler europäischer Staaten.
Nachmittags besuchen wir eine weitere Schule und erleben eine beeindruckende Vorführung.
Am 16. August reisen wir zurück nach Peking und sammeln bei einem Abendessen Kraft für die Rückreise nach Deutschland am folgenden Tag.
Ich danke Meister Yang und dem Shaolin Kung Fu Zentrum Düsseldorf für diese besondere Reise. Kung Fu, Tai Chi und Qi Gong sind spezielle Methoden zur Selbstkultivierung, die sich aus China inzwischen in die ganze Welt ausgebreitet haben. Doch ihre Kraft und ihre Balance sind in China in ganz besonderer Weise spürbar.